„Aus welcher Zucht kommt dein Hund?“ „Aus gar keiner.“ „Also hast du ihn aus dem Tierheim?“ Wer jetzt gedankenlos mit „Nein“ antwortet, erntet einen Shitstorm der solange wütet, bis der Gedankenlose zur „Vernunft“ gezwungen wird. Jeder weiß doch, dass man sich einen Welpen vom anerkannten FCI-Züchter holt. Aber verdienen die offiziellen Verbände es überhaupt noch, so vehement verteidigt zu werden? Im Folgenden kontroverse Gedanken, die angesichts der (fatalen) Entwicklung mancher Rassen erlaubt sein müssen.
FCI-anerkannt oder Dissidenz – wo liegen die Unterschiede?
Wir schreiben das Jahr 1911. Die FCI (Fédération Cynologique Internationale) wird als weltweiter Dachverband der Kynologie gegründet. Ein Dachverband, der erste Anlaufstelle für Fragen und Angelegenheiten zum Hundesport gleichermaßen wie für Fragen zur Hundezucht sein soll. So der damalige Grundgedanke. 104 Jahre später wachsen sogenannte Dissidenzvereine (ebenfalls organisierte Zuchtvereine, die aber nicht von der FCI anerkannt sind) aus dem Boden wie die Eierschwammerln. Pro Land gibt es nur je einen einzigen durch die FCI anerkannten Zuchtverband, der wiederum sämtliche FCI-anerkannte Rassevereine betreut. Der Kynologenverband ist somit eine Institution, die eine unantastbare Monopolstellung genießt. Ökonomen erklären die mit Monopolen verbundenen Gefahren folgendermaßen: eine Monopolstellung geht nicht nur zu Lasten der Verbraucher (also Hundehalter), es mindert auch den Zwang, sich um Effizienz und gute Qualität der Produkte (in unserem Fall unsere geliebten Vierbeiner, also Lebewesen!) zu bemühen. Das heißt im Klartext: solange es nur eine anerkannte Instanz pro Land gibt, gibt es keinerlei Konkurrenzdruck durch andere Mitbewerber. Verständlich also, dass gegen Dissidenzvereine gewettert wird. Das Argument, dass FCI-anerkannte Vereine für besondere Qualität und strenge Kontrollen und Zuchtvorschriften eintreten, ist in Zeiten wo Dobermänner reihenweise vor Erreichen ihres 5. Lebensjahres umfallen, Erbkrankheiten rasseübergreifend bewusst unter den Teppich gekehrt werden oder Möpse und Französische Bulldoggen routinemäßig eine Rachenerweiterung erhalten lange nicht mehr haltbar! Univ. Prof. Dr. Gilles Dupré von der Veterinärmedizinischen Universität Wien sagt zur aktuellen Situation von Mops und Co. dazu in einem Interview: “Trotz tierschutzrelevanter Einwände wurde das Zuchtprogramm dieser Rassen jedoch bisher nicht wirklich verändert.“ Die Aufsichtsorgane sind de facto ihren Verpflichtungen konsequent NICHT nachgekommen. Bürokratie wird als lapidarer Grund für das Nicht-Einschreiten genannt, ein kranker Welpe von „anerkannten“ Züchtern durch einen neuen ersetzt. Als ob dies etwas an der Trauer über die Erkrankung oder womöglich den Verlust des Welpen ändern würde. Ein solches Vorgehen zeigt allerdings gut die Einstellung zum Lebewesen Hund!
Pro Land gibt es nur je einen einzigen durch die FCI anerkannten Zuchtverband, der wiederum sämtliche FCI-anerkannte Rassevereine betreut. Der Kynologenverband ist somit eine Institution, die eine unantastbare Monopolstellung genießt. Ökonomen erklären die mit Monopolen verbundenen Gefahren folgendermaßen: eine Monopolstellung geht nicht nur zu Lasten der Verbraucher (also Hundehalter), es mindert auch den Zwang, sich um Effizienz und gute Qualität der Produkte (in unserem Fall unsere geliebten Vierbeiner, also Lebewesen!) zu bemühen.
Mops vs. Retromops – zeig mir deine Nase und ich sage dir, ob du gewinnst!
Selbstverständlich gibt es neben den Negativbeispielen aber auch jene Züchter, die sich mit Leib und Seele ihren Hunden widmen und für sie leben. Doch diese sind lange nicht mehr nur in „geprüften“ Zuchtvereinen zu finden. Ganz im Gegenteil. Immer mehr kehren den offiziellen Verbänden frustriert den Rücken, weil Richter nicht nach Leistungsfähigkeit und Rassestandard richten, sondern Machterhalt und Einfluss ganz oben auf ihrer Prioritätenliste stehen haben. Freilich gilt auch hier: nicht alle dürfen in einen Topf geworfen werden, doch gleicht es einem Kampf gegen Windmühlen, die schwarzen Schafe auszumerzen. Rückläufige Meldezahlen sowie ein kontinuierlicher Besucherrückgang der offiziellen Hundeausstellungen belegen dies. Wie erklärt man einem tierliebenden Laien auch, warum der freiatmende, hochbeinige Retromops im Ausstellungsring keinen Blumentopf gewinnen würde, während die Erstplatzierten nur mit viel Fantasie an ihre einstigen Vorfahren erinnern?
Eine Rasse die gewiss überstrapaziert wird in Sachen Zuchtpolitik ist der Deutsche Schäferhund. Überstrapaziert wird allerdings auch das Verständnis des Zusehers, wenn ein grauer Rassevertreter mit geradem Rücken und sichtbar bemuskelter Hinterhand naserümpfend auf den letzten Platz verwiesen wird, während der Hund mit dem kürzesten Fang (ein neuer Trend in der Welt des DSH so scheints), dem dunkelsten Pigment, dem plüschigsten Fell, der abfallendsten Kruppe, der übermäßigst ausreichenden Winkelung der Hinterhand und dem kuhhessigsten Stand der gefeierte Champion ist? Die goldene Ehrennadel des Kynologenverbandes des Landes gibt’s dann nochmal obendrauf. Solche Vorgänge sind dem Hundefreund ohne Ausstellungsabsicht nicht plausibel zu erklären und treffen zu Recht auf keinerlei Verständnis außerhalb des Schaurings. Auch die Ausrede, dass die Rückzüchtung des Exterieurs auf mehr Ursprünglichkeit einfach Generationen dauern würde, mag im Ausstellungsring noch wohlwollend zur Kenntnis genommen werden. Wenn man allerdings vergleicht, wie schnell die abfallende Kruppe und die Überwinkelung der Hinterhand umgesetzt werden konnte, fällt es schwer zu glauben, dass es andersrum wesentlich länger dauern soll. Wo ein Wille da ein Weg! Solange allerdings die Zuchtvereine die Spaltung einer ganzen Rasse in ein Show- und ein Leistungslager billigend zur Kenntnis nehmen, kann sich gar nichts ändern. Wozu auch?
Schwer vorstellbar, dass dies seinerzeit das Ziel der Gründung offizieller Aufsichtsorgane gewesen sein soll. Die Rassezucht hat auf jeden Fall auch heute noch ihre Berechtigung. Es ist richtig und wichtig, die Vielfalt in Talent und Aussehen der einzelnen Rassen auch weiterhin zu wahren und fördern. Was einige Menschen daraus machen, ist allerdings in höchstem Maße verwerflich!
Vermehrer – ein Phänomen der Dissidenz, oder?
Es gibt immer mehr Kampagnen gegen den illegalen Welpenhandel, was sehr begrüßenswert ist. Mindestens genau so wichtig ist es allerdings, auf die Missstände direkt vor unserer Haustüre aufmerksam zu machen. Gleich ob Deutschland oder Österreich, egal ob anerkannt oder Dissidenz. Als im Frühjahr der Fall des aus Unterpremstätten stammenden Rottweilerzüchters aufkam, der vier seiner Hunde elendig verenden ließ (YOUR DOG hat berichtet), war die Ursache schnell gefunden: klar, dass sowas passiert, war ja ein „Dissidenzvermehrer“ hieß es da. Wo liegt die Ursache dann beim langjährigen Jagdhundzüchter und Mitglied des offiziellen Rassezuchtvereins, der seine Hunde schwerst misshandelte und fehlfarbene Welpen sogar bei lebendigem Leib im Ofen verbrannte? Wo war der Zuchtwart des Rassevereins? Wie konnte es zur Wurfabnahme kommen? Weder der zuständige Rassezuchtverein noch der Kynologenverband sahen sich veranlasst, diesem Tierquäler das Handwerk zu legen. Erst durch die Initiative von Tierschützern wurde Herr O. durch Richterin Christine Traxler mit einem wenigstens fünf Jahre andauernden Tierhalteverbot belegt. Ein Mal mehr stellt man sich die Frage, warum ein offenkundig brutaler Tierquäler sich derart in Sicherheit wähnen kann und seitens der sogenannten Kontrollorgane keinerlei Konsequenzen zu fürchten hat. Und ein Mal mehr ist das Argument, dass diese Verbände und Vereine besonders strenge Kontrollen durchführen ad absurdum geführt worden.
Doch es muss gar nicht erst zur Verurteilung wegen Tierquälerei kommen, um die Seriosität einer „kontrollierten“ Zuchtstätte in Frage zu stellen. Welchen Grund gibt es, dass sich Züchter rasseübergreifend oft weit über zehn, fünfzehn Hunde halten? Oder in Bussen mit unzähligen Hunden im Gepäckraum quer durch Europa zu Ausstellungen pendeln und dieses „Hobby“ frecherweise noch als einen Grund für den erhöhten Welpenpreis nennen. Jeder Hundehalter weiß, wie zeitaufwändig die ordentliche Versorgung sowie geistige und körperliche Auslastung eines einzelnen Hundes (natürlich rasseabhängig) ist. Es muss also beinahe an ein Wunder grenzen, wenn ein Züchter fünf, sechs aktive Zuchthündinnen, regelmäßige Würfe sowie eine Reihe aktiver Zuchtrüden gleichermaßen zufriedenstellend auslasten kann. Dass es in solch „kontrollierten“ Massenzuchtbetrieben immer wieder zu „Hoppala-Würfen“ kommt, die unter Verschluss gehalten werden müssen, um vorübergehend nicht die Zulassung zu verlieren, muss nicht extra erwähnt werden. Welche sinnvolle Selektion kann bei vier, fünf Würfen oder mehr im Jahr oder der Belegung einer Hündin bei jeder Läufigkeit erfolgen?
Natürlich, in einigen Rassezuchtvereinen dürfen Hündinnen nur bei jeder zweiten Läufigkeit belegt werden. Doch im Verein für Deutsche Schäferhunde ist es erlaubt, die Zuchthündin innerhalb von 24 Monaten gleich drei Mal zu belegen. Diese „Reglementierung“ wurde „aus tierschutzrelevanten Gründen“ eingeführt. Wo hier der Tierschutzgedanke zu finden ist, wenn eine Hündin ohnehin alle acht Monate (also bei jeder Läufigkeit) belegt werden darf, erschließt sich mir nicht. Weiters ist in den Zuchtbestimmungen zu lesen: „Werden einer Hündin mehr als acht Welpen belassen, so darf sie frühestens sechs Monate ab dem Wurftag wieder belegt werden“ also ebenso wieder zur nächsten Läufigkeit.
Der Züchter mit Rückgrat – ein Nestbeschmutzer!
Dass der Handel mit Ostblockwelpen floriert, ist angesichts der immer stärker verwässernden Unterschiede zu kontrollierten Zuchtstätten nicht weiter verwunderlich. Der große Vorteil, der auch den zum Teil um ein Vielfaches höheren Preis rechtfertigen soll, ist häufig einfach nicht mehr zu erkennen.
Die Rassezuchtverbände sind dringend gefordert, konsequenter zu handeln und kompromissloser für die Gesunderhaltung der Rassen zu kämpfen. Ein Besinnen auf die wesentlichen Aufgaben, nämlich die Gesunderhaltung und positive Weiterentwicklung ihrer Rasse, ist nötig um dem Welpenkäufer schlüssige Argumente für einen Kauf beim FCI-Züchter zu liefern. Pokale und Championtitel zählen für die interessierte Käuferfamilie definitiv nicht. Viel wichtiger ist eine entsprechende Gesundheit, Wesensfestigkeit sowie Langlebigkeit, denn der schönste Hund hilft der Familie nicht, wenn er kaum älter als fünf Jahre wird oder in ständiger Behandlung steht. Vereine die sich zu einer transparenten Zuchtpolitik nicht durchringen können, werden weiterhin sinkende Absatzzahlen zu beklagen haben, denn in Zeiten der sozialen Medien bleibt nichts verborgen. Die Frage ist einzig und allein, wie ein Verein mit Herausforderungen (rassebedingte Erbkrankheiten) umgeht. Die vielen ehrlichen, aufopfernden Züchter dürfen für ihren Einsatz und ihr Rückgrat nicht auch noch als Nestbeschmutzer ausgegrenzt werden, sondern sollten als Vorbilder für zukunftsträchtige Zuchtpolitik gesehen werden. Denn Welpenkäufer sind immer aufgeklärter und handeln auch entsprechend – zum Wohle ihres zukünftigen vierbeinigen FAMILIENMITGLIEDES!
Den Artikel findest du in Ausgabe 05/2015 .