Haltung

Beziehungskiste – ein Exkurs in die Welt der Mensch-Hund-Beziehung

Ohne chemische Bindungen würde es weder uns Menschen noch Hunde geben. Weniger sicht- und greifbare Bindungen formen wir in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen – und jenen zu unseren Haustieren. Begleiten Sie mich auf einem kleinen Exkurs durch die Bindungs-Landschaft.

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Foto: www.bettinabodner.at, Vertrauen und Sicherheit sind wesentliche Eckpfeiler für eine stabile Mensch-Hund-Beziehung

Wie man bereits in der Einleitung erkennen kann, ist es wichtig, vom Selben zu reden – deswegen wird in der Wissenschaft immer so genau herumdefiniert. Hier bezeichnet Bindung die soziale Beziehung zwischen Mensch und Hund, die durch Sozialisation und einem Bedürfnis nach Schutz entsteht sowie genetisch bedingt ist. Interessant ist, dass es Parallelen im Bindungsmuster zwischen Hunden und Kindern gibt – und Störungen der Bindung zur Bezugsperson bei beiden zu typischen Verhaltensstörungen führen.

Wie steht‘s mit unserer Bindung?

Ahnungslose Menschen setzen Bindung oftmals mit „Gehorsam“ gleich. Ein einfaches Beispiel aus dem Alltag: „Rufen’s den Fiffi doch einmal ab.“ Fiffi befindet sich gerade 15 Meter weiter inmitten eines Popo-Schnüffelkreises und reagiert dementsprechend nur mit einem kurzen Zucken des Ohrs. Eigentlich eh schon eine tolle Leistung. Nun der Fauxpas, die fachkundige Analyse als volle, enttäuschende Breitseite für den Hundehalter: „Da müssen’s eindeutig noch an der Bindung arbeiten.“ Tatsächlich sollte das Team in diesem Fall an der Abrufbarkeit unter Ablenkung und der Einschätzung sicherer Abrufdistanzen durch den Hundehalter arbeiten.  Was der Hundehalter in dem Moment aber hört ist: „Ihr Fiffi hat sie nicht lieb genug.“ Wie schrecklich. Wie demotivierend. Das unsichtbare Band ist defekt. Wie soll man das richten, wenn man es zum einen nicht sehen kann und zum anderen fest davon überzeugt war: „Auf den Fiffi ist Verlass, der hat mich immer lieb.“

Wie macht man Bindung messbar?

Dafür haben sich Wissenschaftler eigene Modelle ausgedacht und diese sowohl mit Menschen als auch mit Tieren geprüft. So zeigt sich, dass die Bindung insbesondere dann sichtbar wird, wenn der Hund in Stress-Situationen gerät: wie sehr er die Nähe zu seiner Bezugsperson sucht und aufrechterhält, wie weit er seinen Menschen als sichere Basis für Erkundung sowie in Gefahrensituationen betrachtet.
Besonders spannend finde ich ja die verschiedenen Bindungstypen – sowohl unter Menschen als auch unter Hunden. Eine sichere Bindung wird gekennzeichnet durch elterliche Feinfühligkeit und daraus resultierende Zuversicht in die Verfügbarkeit der Bezugsperson und eine entsprechend positive Grund-Erwartungshaltung. Die unsicher-vermeidende Bindung wird charakterisiert durch die fehlende Zuversicht in die Verfügbarkeit der Bezugsperson, beispielsweise weil der feinen Kommunikation des Hundes bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Von einer unsicher-ambivalenten Bindung spricht man meist bei ängstlichen Individuen, die sehr abhängig von ihrer Bezugsperson sind und Schwierigkeiten haben, diese einzuschätzen. Darüber hinaus gibt es auch noch eine desorganisierte Bindung. Hunde mit einer unsicheren Bindung lieben ihre Halter bestimmt genauso, nur können sie diese schlechter einschätzen.

Mit Bindungsmustern und Beziehungen beschäftigen sich Forscher schon seit vielen Jahrzehnten. Harry Harlow bewies in den 1950ern, dass kleine Äffchen eher bei einer kuschligen Puppe Schutz suchten als bei dem Roboter, von dem sie gefüttert wurden. Sie entwickelten also nur zu der „Leih-Mutter“ eine Bindung, die ihnen auch ein wohliges Gefühl vermitteln konnte. Dies passt zu Erkenntnissen aus dem Jahr 2010, dass Hunde dem freundlichsten folgen, nicht dem sogenannten Alpha. Wie Fisher 1955 mit einer Studie an Welpen zeigte, formen sich jedoch paradoxerweise die stärksten Bindungen durch Erwartungsunsicherheit. Eine stark ausgeprägte Bindung ist also nicht notwendigerweise auch eine „gute“ (sichere) Bindung, die sich vorteilhaft auf das Zusammenleben zwischen Mensch und Hund auswirkt. So ist beispielsweise Trennungsangst oftmals ein Indikator für eine (zu) starke Bindung.

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Foto: www.bettinabodner.at, Gemeinsames Training stärkt die Bindung

Nicht nur die Intensität der Bindung, sondern auch ihre Qualität hat also einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten des Hundes. Hunde mit sicherer Bindung suchen öfter Kontakt zu ihren Haltern und interagieren sicherer mit ihrer Umwelt, was das Führen des Hundes im Alltag ungemein erleichtert. Warum aber ist das so? Zunächst einmal, weil die Bezugsperson das Feedback-Abfragen des Hundes durch Aufmerksamkeit bestätigt. Zum anderen, weil die Erwartungshaltung des Hundes einen maßgeblichen Unterschied macht. Erwartet der Hund, auf Verständnis zu stoßen und dass Frauli es erfahrungsgemäß schon am Besten wissen wird oder meint er, sich Situationen (denen er sich möglicherweise nicht gewachsen fühlt) allein stellen zu müssen oder gar wieder einmal gescholten zu werden?

Die Erwartungshaltung des Hundes gegenüber seinem Halter lässt sich durch gezielte Bindungs- und Beziehungsarbeit jedoch sehr wohl ändern. Ein erster Schritt ist hierbei, gezielt auf die körpersprachlichen Signale des eigenen Hundes zu achten und auch darauf einzugehen. Zum Beispiel, in dem man dem Erzfeind am Block großräumig ausweicht, bevor der eigene Hund keifen muss. Als Nächstes wird meist daran gearbeitet, den Menschen für den Hund interessanter zu machen – mehr freudige Kommunikation in höheren Tönen, mehr Lob, Spiel und gemeinsame Erfolgserlebnisse. Wesentlich ist dabei, diese Orientierung auf den Hundehalter dann gut zu generalisieren, also auf verschiedenste Situationen mit unterschiedlichem Ablenkungsgrad zu übertragen.
Darüber hinaus ist während der Bindungsarbeit besonders wichtig, Druck und Strafen vollends außen vor zu lassen, denn dies ist eine Phase des Vertrauens-(Wieder-)Aufbaus. Unternehmen Sie besonders viele nette Dinge gemeinsam. Nehmen Sie sich jeden Tag eine Viertelstunde Zeit, um Ihren Hund, so und wo ihm dies angenehm ist, ruhig zu streicheln und zu kraulen (kein Aufganseln!). So regen Sie die Ausschüttung des wichtigen Bindungshormons Oxytocin an, das für Sie beide stressreduzierend und entspannend wirkt.

Womit wir wieder bei der Chemie angekommen wären: Tatsächlich sind Beziehungen im Idealfall keine (durch Abhängigkeit geprägten) Einfach-, sondern Doppelbindungen. Lassen Sie sich darauf ein. Seien Sie Ihrem Hund ein sicherer Hafen, wenn ihn die Welt verunsichert – und stellen Sie sich gelegentlich auch mal die Frage: Was macht mich zu einem wertvollen Gefährten für meinen Hund?

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(c) fotostrecke.eu

AUTORIN
Sunny Benett,
Dogs in the City

akademisch geprüfte Kynologin
Tierschutzqualifizierte Hundetrainerin

Dogs in the City e.U.
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