Mit der Ausgabe 04/2012 startete die Serie der bekannten Fachautorin und Wolfsexpertin Elli H. Radinger, in der sie unseren Lesern in jeder Ausgabe fachkundigen Einblick in das Familienleben von in Freiheit lebenden Wölfen bietet. Im ersten Teil räumte Sie unter dem Titel „Wer ist hier der Boss?“ mit dem Alphaprinzip auf und erklärt, warum ein Wolfsrudel auch ohne „Frauenquote“ auskommt. Ein Muss für Wolfsfreunde!
Artikelauszug Teil 1: „Wer ist hier der Boss?“
(Autorin: Elli H. Radinger)
Es ist früher Morgen. Zwölf Wölfe ziehen durch das Tal. Allen voran die Alphawölfe. Ihnen folgt der Rest des Rudels, ganz am Ende mit eingekniffenem Schwanz der Omegawolf. Er hält Abstand und wagt sich nicht weiter vor, weil er sonst von den Alphas gebissen und in seinen niederen Rang verwiesen wird.
Was ist falsch an diesem Bild? Alles! Ich habe es erfunden. Stattdessen sehe ich an einem Morgen im Lamar Valley von Yellowstone Folgendes: Zwölf Wölfe ziehen durch das Tal. An der Spitze die kräftigen ein- und zweijährigen Rüden. Mit ihrer mächtigen Brust pflügen sie durch den hohen Schnee. Ihnen folgt entspannt das Leitpaar, danach schlendern einige der Jungweibchen wie auf einer Einkaufstour hinterher. Am Ende trödeln mit etwas Abstand die Kleinen, die damit beschäftigt sind, einer spannenden Spur zu folgen oder ein paar Raben zu ärgern. Plötzlich bleiben alle wie auf Kommando stehen und schauen in eine Richtung. Ich folge ihren Blicken, sehe aber nichts. Offenbar haben die Wölfe eine mögliche „Gefahr“ entdeckt. Der letzte Schnösel hat jetzt auch kapiert, was los ist, nachdem er heftig auf seinen schon stehenden Bruder geprallt ist. Es herrscht deutliche Anspannung in der Wolfsfamilie. Jetzt treten die vorderen Wölfe zur Seite und schauen sich nach den Leitwölfen um. Diese setzen sich an die Spitze und laufen ohne zu zögern weiter. Die Gruppe reiht sich hinter ihnen ein. Selbst die Schnösel sind nun aufmerksam und lassen sich nicht mehr ablenken.
Was ich sehe, ist eine Demonstration vorbildlichen Führungsverhaltens. Kein Dominieren, kein „Plattmachen“, keine Aggressionen, sondern stille Autorität und die Übernahme von Verantwortung. Warum also wird immer noch das erste und von mir erfundene Bild heraufbeschwört, wenn man den wölfischen Führungsstil beschreibt? […]
Den gesamten Artikel findest du in Ausgabe 04/2012 .