Wenn wir uns das Verhaltensrepertoire unserer Vierbeiner ansehen, müssen wir – gerade in Hinblick auf die in letzter Zeit vorgefallenen, dramatischen Beißunfälle unserer Vierbeiner – natürlich auch die negativen Verhaltensweisen unter die Lupe nehmen. Denn eines ist klar, mit mehr Verantwortungsbewusstsein und mehr Wissen über das Drohverhalten unserer Hunde wären viele Beißunfälle vermeidbar gewesen.
Körpersprache, insbesondere Drohverhalten, immer korrekt zu deuten, stellt für viele von
uns eine Herausforderung dar. Mit Erschrecken stellen wir fest, dass dieses Manko nicht nur bei Hundelaien und Hundebesitzern zu finden ist, sondern auch bei manchen Menschen, deren tägliches Brot die Arbeit mit Tieren ist.
Körpersprache erkennen und richtig deuten kann Beißunfälle verhindern
Wen wundert es da noch, dass wir der weit verbreiteten Irrmeinung unterliegen, dass Schwanzwedeln immer ein Ausdruck der reinen Freude wäre und diese gefährliche Fehlinterpretation auch noch an unsere Kinder weitergeben? An Kinder, für die wir die Verantwortung tragen – Kinder, die wir vor bösen Überraschungen im Leben schützen möchten. Wäre es da nicht endlich an der Zeit sich intensiver mit Drohverhalten von Hunden auseinanderzusetzen, anstatt in den sozialen Medien bedenkliche Kind-Hund-Videos zu liken und tausendfach mit „ist das nicht süß“ zu kommentieren?
Besagte Videos zeigen übrigens sehr oft komplett angespannte, gestresste Hunde, die Situationen ausgesetzt sind, die sie nur schwer ertragen können und manchmal ist es ein schmaler Grat, ob/bis das Verhalten des Hundes in Aggression umschlägt. Auch wenn dieses Verhalten natürlich höchst ungewollt ist, sind diese Hunde im biologischen Sinne keineswegs „verhaltensgestört“. Aggression ist nun mal ein Verhaltensrepertoire jedes Tieres und wird häufig durch Unsicherheit, Stress, Angst, Überforderung oder Frustration ausgelöst. Hunde zeigen in der Regel vorab ein Spektrum an Verunsicherung und/oder Drohverhalten – nur wurde diese vom verantwortlichen Hundehalter vermutlich nicht oder zu spät wahrgenommen. Der Hundehalter hat also die Situation vermutlich falsch interpretiert, verharmlost, vermenschlicht oder einfach seine Verantwortung gar nicht wahrgenommen.
Die Bedeutung von Drohverhalten
Generell hat Drohverhalten die Intention ein Gegenüber auf Abstand zu halten, einzuschüchtern bzw. zu vertreiben und wird sowohl intraspezifisch (also zwischen Hund/Hund) wie auch interspezifisch (zwischen Hund/Mensch) gezeigt. Hunde zeigen durch das enge Zusammenleben mit uns beinahe das komplette zur Verfügung stehende Verhaltensrepertoire, wie sie es auch in einem natürlichen Rudel zeigen würden.
Grundsätzlich unterscheiden wir bei Drohverhalten zwischen offensivem und defensivem Drohen. Bei offensivem Drohen ist sich der Hund seiner Sache vollkommen sicher und das kennzeichnet sich auch durch sein sicheres Auftreten. Die Intention zum Angriff geht vom Hund aus. Ein defensiv drohender Hund ist dagegen eher sozial unsicher und ist – wie schon die Bezeichnung aussagt – eher auf Verteidigung ausgerichtet. Das bedeutet aber nicht, dass dieser im Falle der Bedrängung auch nach vorne gehen würde.
Aus dem Kasten (links) wird erkennbar, wie komplex und vielschichtig die einzelnen Signale und Verhaltensweisen unserer Hunde sind. Dies kann eine der Problematiken für uns Menschen darstellen, Drohverhalten rechtzeitig zu erkennen und auch darauf zu reagieren. Die berühmte deutsche Verhaltenswissenschaftlerin Dr. Dorit Feddersen-Petersen stellte z.B. fest, dass ein Wolf bis zu 60 verschiedene Gesichtsausdrücke zeigen kann. Die Mimik beim Malamut ist noch sehr ursprünglich mit 43 – weniger werden es beim Pudel mit 14 und beim Schäferhund mit 12.
Viele Missinterpretationen
Dennoch immer noch genug Platz für Missinterpretation für uns Menschen! Wichtig bei der Erkennung der körpersprachlichen Bedeutung ist, die einzelnen Körperteile miteinander zu verknüpfen und niemals isoliert zu betrachten. Denn wie gesagt, ein Schwanzwedeln isoliert betrachtet, bedeutet noch keine Freude – es ist lediglich ein Zeichen für Aufregung und wird auch häufig bei defensiv drohenden Hunden beobachtet. Knurren hingegen muss nicht immer Drohverhalten sein, sondern wird oft bei Spielsequenzen gezeigt.
Den ganzen Artikel findest du in Ausgabe 06/2018 .