Haltung

Geschickte Manipulation – wir alle sind Opfer unserer Hunde

Der berühmte Dackelblick

Die bekannteste Form der Manipulation ist wohl der Dackelblick. Den beherrschen allerdings nicht nur seine Namensgeber, die Dackel, sondern so gut wie jeder Hund, wenn es darum geht ein Leckerli zu ergattern. Selbst wenn wir uns im ersten Moment noch dagegen zur Wehr setzen und an unsere konsequente Erziehung denken, mit etwas Durchhaltevermögen erreicht der Hund letztlich meistens doch was er will. Und das ist der Moment, in dem wir uns manchmal die Frage stellen, ob er uns gerade bewusst manipuliert hat oder wir bloß zu inkonsequent sind.

Der berühmte Dackelblick

Der berühmte Dackelblick

Es passiert so sicher wie das Amen im Gebet: ich setze mich mit meinem Snack an den Wohnzimmertisch, habe kaum die erste Gabel im Mund und meine Dobermannhündin dreht sich geräuschvoll direkt neben dem Tisch auf den Rücken. In dieser eigenartigen aber garantiert Aufmerksamkeit erregenden Position harrt sie dann aus, bis der letzte Bissen verspeist ist. Manche werden sich jetzt denken, dass ich dem Hund dieses eigentlich menschliche Verhalten „unterstelle“ und er gar nicht in der Lage ist, derlei Emotionen bzw. Zusammenhänge zu erkennen oder mitzuteilen. Doch die Wissenschaft hat uns eines gelehrt: was wir heute noch nicht wissen und als „unmöglich“ abtun, kann morgen schon entdeckt und wissenschaftlich belegt werden.

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Phase 1: Athenas „Show“ um Aufmerksamkeit zu erregen

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Phase 2: half die dezente Variante nicht, kommen die Beine ins Spiel und die Darstellung wird „dramatischer“

Manipulation vs. Kommunikation

Meine Dobermannhündin beherrscht ein großes Repertoire an Manipulationsgesten oder besser gesagt: sie ist intelligent genug, ihren Willen/ihre Empfindungen klar verständlich mitzuteilen. So hat sie im Laufe ihrer Ausbildung zwar sämtliche Grundkommandos gelernt, doch heißt das noch lange nicht, dass sie diese sofort und ohne Abwägen der damit verbundenen Vor- und Nachteile ausführt. Erspäht sie in ihrem Garten beispielsweise den Todfeind Katze, wird sie sich zwar auf mein Kommando hin auf ihren Platz begeben, aber sicher nicht ohne laustarken Protest. Ein anderes Beispiel ist ihre innere Uhr und mit dem steigenden Alter stetig abnehmende Geduld gegenüber Verspätungen ihre Fütterung betreffend. Um 18 Uhr ist Fütterungszeit. Eine viertelstündige Verspätung wird noch mit „nur“ strafendem Blick zur Kenntnis genommen, um halb Sieben reißt allerdings der „dobermannsche“ Geduldsfaden endgültig und dann wird durch ununterbrochenes Gemurre, Gejammer und Gequietsche an die wirklich wichtigen Dinge im Leben erinnert. Sicherlich, man könnte plump behaupten der Hund wäre bloß unerzogen. Ist er nicht, denn während ihres lautstarken Protests, liegt sie flach wie eine Flunder auf ihrem Platz. Sie weiß also um die Bedeutung ihres Platzes sehr genau bescheid und setzt gezielte „Maßnahmen“ um ihren Willen durchzusetzen. Und nein, wir sind nicht immer sofort gesprungen wenn der Hund gejammert hat, schließlich würde man ihn so in seinem Handeln bestärken. So einfach gestrickt sind viele Hunde aber häufig doch nicht. Es mag sicherlich Hunde geben, die sich damit abfinden. Trotzdem gibt es aber eben auch jene, die bewusst mit ihrem Halter interagieren. Natürlich könnte man dies auch unterbinden, aber wozu eine denkende Persönlichkeit ihres Charakters berauben?

Ein anderes Beispiel sind ihre kreativen Aktionen beim Training. Als sie noch jünger war haben wir regelmäßig Begleithunde- und IPO-Sport (Unterordnung, Fährtensuche und Schutzdienst) trainiert. Als echte Dobermann-Lady hat sie Hummeln im Hintern die für drei Hunde reichen würden, an eine dauerhafte Ablage war also nicht zu denken. Da sie aber gerne ihre Belohnung (Leckerli oder Beutespiel) bekommen hätte, hat sie mir freundlicherweise zu ihr besser passende Alternativen wie zwei, drei Rollen, Pfote oder Verbellen angeboten. Meine mittlerweile 17-jährige Dackelhündin ist da schon etwas rustikaler, wenn es darum geht ihre Bedürfnisse mitzuteilen. Ist ihr Wassernapf beispielsweise leer und reagieren wir nicht sofort auf ihre noch freundliche, tonale Verständigung, wird der metallene Napf kurzerhand über die verflieste Kellerstiege geschubst und wie das klingt, bis er auch wirklich im Keller angekommen ist, können Sie sich vorstellen. Sie hat uns also gut erzogen und die gesamte Familie reagiert darauf inzwischen sehr zuverlässig.

Die letzte Mitteilung des Tages kommt dann wieder von meiner Dobermannhündin. Bevor sie sich für die Nacht in ihr Bett legt, besteht Madame darauf, dass ihre Decke noch einmal aufgeschüttelt wird. Ich bin mir dessen durchaus bewusst, wie sich das liest, aber wenn der Hund starr vor seinem Bett steht und es erst betritt, wenn Sie genau das getan haben, würden wahrscheinlich auch Sie zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass Ihr Hund – sehr „speziell“ ist. Ja, ich bin ein Opfer meiner Hunde und ich vermeide derlei Erzählungen in Gesellschaften, wo der Anteil an Hundehaltern unter 50% liegt.

Bewusste Handlungen in Abwesenheit des Menschen – ein Zeichen großer Intelligenz

Der Zwergpinscher meiner Schwester geht von sich aus auf seinen Platz, sobald meine Schwester den Frühstückstisch verlässt. Er weiß, dass sie als nächstes noch die Schuhe und Mantel anziehen und danach das Haus in Richtung Schule verlassen wird. Und er weiß auch, dass sie so schnell nicht zurückkommen wird. Und genau deshalb springt er dann auf den Esstisch um sich an eventuell Verwertbarem zu bedienen. Dabei ist er wenigstens so großzügig, auch an seine am Boden verbliebenen Freunde zu denken und ihnen das eine oder andere Keks auf den Boden zu werfen. Pfotenabdrücke und Krümelspuren sowie Videoaufzeichnungen überführten die kleine schwarze Täterin schließlich und bestätigten uns. Denn ehrlich gesagt fanden wir unsere Vermutung schon etwas abstrus.

Studien belegen, dass Hunde den Unterschied genau erkennen, ob der Mensch ihren Handlungen folgt oder nicht. So haben Hunde in einer Studie beispielsweise Leckerlis trotz „Verbots“ sehrwohl genommen, als der Mensch sich von ihnen abwandte. Hat er sie jedoch angesehen, haben sie sich an das ausgesprochene Verbot gehalten.  Fakt ist eben, dass Hunde wahre Meister der Beobachtung sind. Jede noch so kleine Geste, Blicke oder tägliche Rituale nehmen sie perfekt wahr und speichern diese Infos ab.

Manipulatives Verhalten
– Hartnäckiges Auffordern zum Spiel
– unaufgefordertes Anbieten von eventuel erwünschtem Verhalten
– „Schauspielern“
– lautstarker Protest, um den Willen durchzusetzen
– seltsames Verhalten um auf sich aufmerksam zu machen
– „Dackelblick“ oder anstarren

Nun diskutiert die Wissenschaft schon lange über Bewusstsein und Denkvermögen der Hunde. Konkrete wissenschaftliche Studien gibt es allerdings erst seit vergleichsweise kurzer Zeit und in den kommenden Jahren werden sicherlich noch zahlreiche Erkenntnisse des Alltags wissenschaftlich belegt werden können. Auch Wolfsforscher berichten immer wieder davon, dass junge Wölfe gerne testen, was erlaubt ist und was nicht oder auch mal besonders lautstark auf sich aufmerksam machen. Dies sind also alles bewusste Handlungen die gesetzt werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ob dies nun „Manipulation“ ist oder einfach eine hoch entwickelte Form der Mitteilungsfähigkeit sei dahin gestellt.

Klar ist jedenfalls, dass sich unsere vierbeinigen Partner im Laufe unserer Jahrtausende andauernden Partnerschaft viel weiter entwickelt haben, als wir ihnen heute oft zugestehen (können oder wollen).