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Lampenfieber? Optimales Prüfungstraining

Reicht es, um erfolgreich auf Turnieren starten zu können, beispielsweise die einzelnen Obedience-Übungen oder Agility-Sequenzen technisch einwandfrei zu beherrschen oder gibt es mehr, was dazugehört, um erfolgreich zu werden? Was alles dazu notwendig ist, egal ob Agility, Obedience oder Breitensport, wollen wir im folgenden Artikel genauer unter die Lupe nehmen.

bannerprüfungsvorbereitung

Ist man nach vielen Stunden der Lernphase so weit, dass die einzelnen Übungen einer Obedience Klasse, die einzelnen Agility-Geräte bzw. Sequenzen eines Parcours gut klappen, hat man die halbe Miete. Aber leider erst die halbe … Bis dahin hat man idealerweise viele Teilschritte bestätigt, hat meist in einer größtenteils geschützten, bekannten Trainingsatmosphäre am eigenen Hundeplatz geübt und hat ohne gröbere Ablenkungen und geschützt vor ungeplanten Überraschungen und sonstigem die Übungen aufgebaut. Da Hunde aber kontextspezifisch lernen, also das ganze Drumherum mitlernen und nur schlecht generalisieren können, sind wir spätestens jetzt gefragt, einen Schritt weiterzugehen. Wir müssen unserem Hund helfen, das Gelernte auch in anderen Kontexten zu zeigen und mit Ablenkung und anderen ungewohnten Dingen, die sich in jeder Prüfung ereignen können, umgehen zu können. Außerdem müssen unsere Hunde, die meist bis zu diesem Punkt für viele Teilschritte oft belohnt wurden, lernen damit fertig zu werden, dass sie nun ganze Sequenzen bis hin zu einer ganzen Prüfung ohne Belohnung absolvieren müssen und zwar ohne dass ihre Motivation sinkt. Das bedeutet, es liegt an uns, die mentale Einstellung unserer Hundes so weit zu verändern, dass das Vertrauen in die Arbeit und in uns so weit wächst, dass er ohne Leistungs- und Motivationseinbuße seine gewohnte Leistung aus dem Training beibehält. Unser Vierbeiner muss lernen und sich sicher werden, dass er die Belohnung eben nur etwas später bekommt. Das erfordert viel Geduld und Fingerspitzengefühl.

Wie reduzieren wir nun aber die Clicks, Futter & Spielzeug, ohne dass sich die gewohnte Leistung groß verändert?

Verabschieden müssen wir uns erst einmal von der Idee, dass wir uns diese Arbeit einmal machen müssen und dann arbeitet unser Vierbeiner auch ohne Belohnung genauso exakt ohne Futter wie mit. Wir selbst würden wohl auch kaum arbeiten gehen, hätten wir nicht am Ende des Monats ein nettes Gehalt am Konto. Ähnlich geht es auch unseren Vierbeinern … Natürlich gibt es Hunde, vor allem spezieller Arbeitsrassen, die eine hohe Eigenmotivation haben und weniger auf Futter- oder Spielzeugbelohnungen fixiert sind. Aber auch hier brauche ich ein spezielles Vorbereitungstraining, um bestmöglich in Prüfungen bestehen zu können.

Wir starten also langsam neben dem natürlich nach wie vor notwendigen technischen Training mit unserem Prüfungsvorbereitungstraining. Wir beginnen in kleinen Schritten, von unserem Hund etwas mehr zu verlangen, bis die Belohnung kommt. Unser Vierbeiner muss lernen, länger Spannung zu halten, bis die Zwischenbestätigung kommt. Der Hundeführer muss darauf achten, dass er dies in kleinen Portionen verlangt, ohne dass sein Trainingspartner mental versauert. Die Motivationskurve sollte auf keinen Fall abstürzen. Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass die Leistung anfangs wohl etwas schlechter wird, was aber völlig normal ist. Steigern wir ein Anforderungskriterium, wird ein anderes kurzzeitig schlechter. Nach und nach verlängern wir die Phasen, in der der Hund ohne Zwischenbestätigung arbeiten muss: Erst verlangen wir beispielsweise einige Schritte Fußarbeit, dann hängen wir einen Winkel dran, später nach dem Winkel noch einige Schritte und so weiter. Sind wir so weit, dass der Hund ganze Übungen ohne Zwischenbestätigung in der gewohnten Trainingsleistung und mit hoher Motivation schafft, können wir uns daran machen, zwei Übungen zusammenzufügen, dann drei, vier, … Ausschlaggebend für den Erfolg ist, den Hund nicht zu überfordern und dieses Training über mehrere Wochen oder länger auszudehnen. Für diesen Prozess sollte man sich wirklich viel Zeit lassen, denn wie in jedem Training sollte der Weg das Ziel sein.

Hilfsmittel externe Belohnung

Eine sehr effiziente Hilfe ist die der externen Belohnung. Dabei lernt der Hund, dass sein Futter oder Spielzeug beispielsweise am Rande des Trainingsrings auf ihn wartet, im Auto oder wo auch immer. In kleinen Häppchen aufgebaut, lernt der Vierbeiner sehr gut, länger Spannung zu halten, weil er sich mental schon auf die draußen wartende Belohnung freut. Anfangs ist es sinnvoll, mit einer Hilfsperson zu arbeiten, die die externe Belohnung „verwaltet“. Die Hunde müssen zuerst lernen, nur auf unser Freizeichen zur externen Belohnung laufen zu dürfen. Dazu zeige ich ihm die Belohnung und lege sie dann aus (Futter am besten in eine kleine Schüssel). Die Hilfsperson bleibt in der Nähe und deckt sie einfach mit der Hand ab, sollte der Hund ohne Erlaubnis hinlaufen. Auf ein strenges „Nein“ kann man getrost verzichten, der Hund lernt, dass er ohne Erlaubnis sowieso nichts bekommt. Zu Beginn verlange ich nur eine kurze Grundstellung oder ein Platz und schicke den Hund dann mit einem Signal und einladender Körperhilfe zur Belohnung. Nach und nach verlange ich mehr von meinem Hund, dazwischen aber auch wieder einmal kürzere Sequenzen, damit es immer eine kleine Überraschung bleibt, wann der Hund die Bestätigung erhält. Das hält die Spannung hoch! Auch kann ich nach und nach die externe Belohnung weiter weg auslegen, denn später in einer Prüfung darf ich sie ja auch nur außerhalb des Rings hinlegen.

motivationAblenkungen einbauen
Ein wichtiger Punkt ist, langsam mehr und mehr Ablenkungen in das Training einzubauen. Der Hund muss lernen, sich nur auf die Übung und seinen Hundeführer zu konzentrieren, egal was rundherum passiert. Das kann er aber nur mit langsam steigender Sicherheit und Vertrauen in seinen Menschen lernen. Wir müssen uns darüber klar werden, dass es für den Hund ein riesen Unterschied sein kann (natürlich gibt es Hunde, die sich hier leichter tun!), dass da auf einmal Dinge herumstehen, die sonst nicht da sind, fremde Menschen herumlaufen, Menschen, die sich komisch verhalten, der eigene Hundeführer, der sich in einer Prüfungssituation auf einmal anders verhält, weil er nervös ist oder ein Richter, den er nicht kennt, mit im Ring steht. Wir können von unseren Hunden nicht verlangen, dass sie in einer unbekannten Prüfungssituation genau gleich motiviert sind wie in der altbekannten Trainingssituation. Wir müssen also Situationen schaffen, die die bekannte, oft sterile Trainingssituation langsam aufbricht. Mit etwas Kreativität und einer motivierten Trainingsgemeinschaft lassen sich hier ganz tolle Ideen umsetzen. Möglichkeiten wären, Dinge am Trainingsplatz zu verstreuen, die da sonst nicht liegen, Menschen, die herumlaufen und Ablenkung machen (langsam steigern!), fliegende Dinge, hustende oder niesende Menschen oder andere Hundeführer mit vielleicht fremden Hunden. Der Hund muss in kleinen Portionen lernen, mit verschiedensten Ablenkungen umgehen zu können und sich trotzdem auf seine eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Auch ist es hilfreich, einmal auf anderen, fremden Trainingsplätzen zu trainieren oder auch im Einkaufszentrum, im Baumarkt oder am Parkplatz eines Supermarktes. Aber immer darauf achten, wenn ihr etwas Neues, Fremdes ausprobiert, wird die Leistung des Hundes erst einmal etwas schlechter und mit steigender Sicherheit wieder besser. Füge ich meinem Training mehr Ablenkung hinzu, belohne ich im Gegenzug den Hund wieder mehr. Je nach Schwierigkeitsgrad würden hier beispielsweise eine Grundstellung oder ein paar wenige Schritte Fußarbeit ausreichen, die ich dann langsam steigere.

Immer darauf achten, dass die Anforderungen und die Übungs- bzw. Ablenkungsgestaltung nur so hoch sind, dass wir unseren Hund nicht überfordern, wir unserem Hund genügend Sicherheit vermitteln können und er die gelernten Übungen dennoch gut abrufen und ausführen kann! Wir sollten jedes Training so gestalten, dass der Hund Erfolg haben kann, also möglichst keinen Fehler macht.

Unsere mentale Einstellung

Haben wir bereits einiges an Prüfungs- und Ablenkungstraining erfolgreich hinter uns gebracht, können wir damit beginnen, prüfungskonformes Training durchzuführen. Das heißt, wir sollten uns genau so verhalten, wie wir es auch in einer Prüfung tun müssten. Dazu gehört auch, einen Fehler meines Hundes nicht korrigieren zu können. Hunde verfügen bekanntermaßen über ein ungeheures Vermögen, unsere menschliche Mimik und Gestik zu erfassen. Sowohl Menschen als auch Hunde verfügen über sogenannte Spiegelneurone. Das bedeutet, wir gehen automatisch in Resonanz zueinander. Passiert nun also ein Patzer bei einer Übung, müssen wir lernen, nach vorne zu schauen, uns nichts anmerken zu lassen, um genauso weiterzuarbeiten, als ob nichts passiert wäre. Wir müssen lernen, unsere innere Haltung wie auch unseren äußeren Ausdruck zu beherrschen, um konzentriert und gut die Prüfung zu Ende bringen zu können.

Wir müssen versuchen, uns selbst und unseren Vierbeiner durch gut ausgeklügeltes, kleinschrittiges und ein systematisch perfekt abgestimmtes Belohnungssystem und Ablenkungstraining in eine Art „Flow“ zu bringen. Das bedeutet, dass wir in unsere Aufgabe so vertieft sind, dass wir die Welt rundherum vergessen und alles wie von selbst von der Hand geht.

Gemeinsam erfolgreich

Hundesport ist Teamsport! Das sollten wir uns immer vor Augen halten. Die Fehler, die unser Hund macht, macht er nicht, weil er uns eines auswischen möchte oder weil er sich denkt „ach heute freut es mich nicht“, sondern weil wir Hundeführer Fehler im Aufbau gemacht haben oder zu wenig Wert auf Ablenkungstraining gelegt haben oder noch zu wenig Prüfungstraining absolviert haben. Den Fehler beim anderen zu suchen, ist zwar einfacher, bringt uns aber nicht weiter. Effizienter ist es, zu überlegen, was man verbessern kann, um so gemeinsam erfolgreich Turniere bestehen zu können. Leider sieht man es immer wieder, dass Hunde zu Sportgeräten degradiert werden, die funktionieren müssen, denen man die Schuld geben kann, wenn etwas schiefgeht, die man über unschöne Trainingsmethoden die Übungen lehrt.

Wie viel schöner ist es aber, als wirkliches, harmonisches TEAM in eine Prüfung zu starten, gemeinsam Spaß & Erfolg zu haben …

Autorin: Verena Nerat, Hundherum Positiv

BUCHTIPP:
Angelika Bodein
„Mentaltraining für HundesportlerInnen“
Verlag Kynos
ISBN-10: 3938071249
ISBN-13: 978-3938071243
Preis: € 37,99