Fast jeder Hundebesitzer kollidiert irgendwann einmal mit dem Begriff „Welpenschutz“. Sei es als Welpenbesitzer, der die bittere Erfahrung machen muss, dass es so mancher fremde Hund mit dem Welpenschutz nicht so genau nimmt, oder aber als Besitzer eines ausgewachsenen Hundes, der sich das freche Gebaren eines fremden Welpen nicht bedingungslos gefallen lässt und das auf hündische Art zum Ausdruck bringt. In beiden Fällen ist das Geschrei des Welpenbesitzers oft groß- „wieso ist Ihr Hund denn so aggressiv, meiner hat doch noch Welpenschutz!“ Was hat es also auf sich mit dem Welpenschutz, gibt es ihn oder nicht? Wieso ist er in den Köpfen der Menschen so fest verankert und wird so selten hinterfragt?
Was ist ein Welpe?
Um der Sache auf den Grund zu gehen, bleibt zunächst einmal zu klären, was ein Welpe überhaupt ist. Nach den Verhaltensforschern Erik Zimen und Eberhard Trumler dauert die eigentliche Welpenzeit bis zur achten Lebenswoche, höchstens jedoch bis zur 12. Lebenswoche. Die meisten Hunde, die vom Züchter abgegeben wurden und denen man beim Spazierengehen begegnet, sind also streng genommen schon gar keine Welpen mehr, sondern bereits Junghunde.
Bei Beobachtungen an Wölfen stellte Günther Bloch fest, dass die Toleranz den Welpen gegenüber ab der achten Lebenswoche drastisch abnimmt. Bis dahin wird Fehlverhalten der Welpen weitestgehend ignoriert; bereits ab der neunten Lebenswoche jedoch wird deutlich seltener ignoriert und vermehrt gemaßregelt (zB. durch Schnauzgriff). Auch weitere „Feldnotizen“ von Bloch führen allesamt zu einem Schluss: in den ersten acht Lebenswochen haben die Welpen tatsächlich mehr oder weniger Narrenfreiheit. Danach ändern sich die Regeln „fast schlagartig“.
Nach Trumler beginnt der Welpe ab der achten Lebenswoche, sich in die Rangordnung einzufügen. Dies kann natürlich nur geschehen, wenn der Welpe Grenzen kennen lernt, die ihm aufgezeigt werden- sei es nun von seinem Menschen, oder eben von Althunden. Wäre der acht Wochen alte Welpe „geschützt“, würde kein Althund ihm Grenzen aufzeigen und ihm damit die Chance geben, sich einzufügen und zu lernen. Würde also ein Welpenschutz bestehen, wäre er etwa ab der achten Lebenswoche nicht mehr vorhanden.
Das Verhalten adulter Hunde gegenüber Welpen
Tatsächlich verhalten sich viele erwachsene Hunde Welpen gegenüber mit erhöhter Toleranz. Schließlich kann man von einem Jungspund, der gerade dabei ist, die Regeln der Hundewelt kennenzulernen, nicht erwarten, dass er sie bereits befolgen kann. Zudem „lernen“ Hunde, die oft mit Welpen Kontakt haben, das unkoordinierte und oft auch rüpelhafte Benehmen zu ertragen.
Als Besitzer eines Hundes, der sich mit leidendem Blick von scharfen Welpenmilchzähnchen die Ohren ankauen lässt, sollte man deshalb dafür sorgen, dass besagte Zähnchen anderweitig beschäftigt werden, damit tut man sowohl dem Welpen als auch dem eigenen Hund einen Gefallen. Selbst wenn es ein fremder Welpe ist- er soll ja nicht lernen, dass Ohrenkauen erwünscht ist. Vielleicht gerät er beim nächsten Mal an einen weniger welpentoleranten Hund. Denn nicht jeder adulte Hund hat automatisch eine hohe Toleranzgrenze Welpen gegenüber.
Es gibt durchaus Hunde, die sich von Welpen belästigt und genervt fühlen und das aufdringliche Verhalten mit Angespanntheit, Steifstellen, Knurren oder auch Abschnappen quittieren. Solche Hunde sind weder aggressiv noch asozial. Nicht jeder Hund muss zwingend Welpen mögen und tolerieren, ebenso wenig wie jeder Mensch kleine Kinder mögen oder sich von ihnen alles gefallen lassen muss. Natürlich ist ein Hund, der offensiv aggressiv oder gar mit Beschädigungsabsicht auf einen Welpen losgeht, nicht zu dulden. Solches Verhalten gründet aber in der Regel in fehlender Sozialisierung und/oder schlechter Führung und ganz sicher nicht in missachtetem Welpenschutz.
In Wolfsrudeln werden rudeleigene Welpen verteidigt, mitunter auch gegen ranghöhere Wölfe. Ganz anders jedoch sieht es mit rudelfremden Welpen aus. Diese werden falls nötig auch getötet, um den Fortbestand der eigenen Gene zu sichern.
Fazit
Ja, es gibt den Welpenschutz. Er gilt jedoch nicht für „rudelfremde“ Welpen (und jeder Welpe, der nicht im eigenen Haushalt lebt, ist rudelfremd) und selbst innerhalb des eigenen Rudels schwächt er sich ab der achten Lebenswoche ab. Von einem generellen Welpenschutz, dem jeder dahergelaufene Welpe unterliegt und an den jeder adulte Hund sich zu halten hat, egal wie dreist oder frech der Welpe auch sein mag, kann keine Rede sein.
Der Ausdruck „Welpenschutz“ (der übrigens eine umgangssprachliche Erfindung und nicht etwa eine kynologische Bezeichnung ist) kann und darf nicht länger die Freikarte dafür sein, junge Hunde frei von jeder Führung einfach walten zu lassen! Ab dem Tag, an dem wir einen Welpen ins Haus holen, sind wir verantwortlich für seine Sozialisierung und Entwicklung. Für den verantwortungsvollen Hundehalter sollte es völlig irrelevant sein, ob Welpenschutz existiert oder nicht. Wer seinen Hund von Anfang an lehrt, nur nach Rücksprache fremde Hunde zu kontaktieren, mindert das Risiko, dass der Welpe gemaßregelt oder gar verletzt wird, auf ein Minimum. Damit wird es unnötig, sich auf „Welpenschutz“ berufen zu müssen. Natürlich soll der Welpe so viel Umgang wie möglich mit souveränen, erwachsenen Hunden haben. Es kann jedoch niemals der richtige Weg sein, Klein-Welpi in der großen weiten Hundewelt sich selbst und vermeintlich unverträglichen Artgenossen zu überlassen und hinterher zu schreien: „Der hat doch noch Welpenschutz!“