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Gegen alle Vorurteile

Der Hundeplatz in unserer kleinen Ortschaft war als Kind mein zweites Zuhause. Stundenlang konnte ich zuschauen. Meine größte Bewunderung galt schon damals diesen großen, kräftigen und eindrucksvollen schwarzbraunen Hunden. Irgendwann wollte auch ich einen Rottweiler an meiner Seite haben – aber bis dahin sollte noch viel Zeit vergehen, da weder mein persönliches Umfeld noch die Arbeits- und Zeitsituation passend waren. Da ich mir aufgrund mangelnder Hundeerfahrung einen Rotti anfangs nicht zutraute, waren meine ersten tierischen Begleiter ein kleiner struppiger Schnauzer und danach ein Labrador-Pärchen.

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Das Warten hat sich gelohnt!

Doch dann war es endlich soweit und der erste Rottweiler zog ein – Quinn ! Und damit auch die Vorurteile bei Familie, Freunden und Bekannten: „Der wird dir über den Kopf wachsen“, „Bist du wahnsinnig, die sind gefährlich“, „Dann besuchen wir dich nicht mehr“- das waren noch die nettesten Meldungen. Selbst doch ein wenig verunsichert, wurde deshalb größter Wert auf eine gute Ausbildung gelegt. Und siehe da, Klein-Rotti strafte alle Vorurteile Lügen, wurde ein freundlicher, folgsamer Hund und der Liebling aller, die so skeptisch waren. So stolz war ich auf meinen Buben. Doch schon mit einem Jahr machten sich gesundheitliche Probleme bemerkbar. Nach einem langen Tierarztmarathon stand fest, er wird nicht mehr gesund. Dieser stolze Hund konnte kaum noch ohne Schmerzen gehen und letztendlich brachen ihm die Hinterläufe weg, sodass ich beschloss, meinem Freund einen letzten Gefallen zu tun und ihn auf die Reise hinter den Regenbogen zu schicken. Dreimal fuhren wir zu unserer Tierärztin und dreimal fuhren wir wieder nach Hause. Ich hab es einfach nicht geschafft. Er hat mich jedes Mal mit seinen treuen braunen Augen so vertrauensvoll angesehen und ich kam mir vor, wie ein Verräter. Einen letzten Sommer noch, in unserem Garten mit seiner Freundin Carla, die in der Zwischenzeit Einzug gehalten hatte. Mit dem Sommer ist auch er gegangen.

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Carla (Rufname Charly) 

Es kommt mir vor, als ob es erst gestern gewesen wäre! Eine kleine, verschreckte Rotti-Maus, die trotz ihrer 8 Monate nichts kannte, die von ihrem Besitzer behandelt wurde, wie man es keinem Hund wünscht.Er übergab sie mir an einem heißen Sommertag mit den Worten: “Hab ihr heut eh noch nix zu trinken gegeben, kannst sie gleich ins Auto haun!“ Dies gestaltete sich allerdings mehr als schwierig, da sie bei jedem Versuch, sie anzugreifen, sofort einen Salto rückwärts geschlagen hat aus purer Panik. Nach einiger Zeit und vielen guten Worten saß sie zwischen meinen Beinen am Beifahrersitz und ist vor Erschöpfung eingeschlafen! Das war unsere erste Begegnung. Danach wurde sie bald mutiger und frecher. Mehr als einmal habe ich darüber nachgedacht, ob sie wohl bei mir gut aufgehoben ist, denn sie hat unser Zusammenleben täglich auf eine harte Probe gestellt. Carla hat geklaut, alles zerstört und gefressen, was ihr zwischen die Zähne kam, hat alles hysterisch verbellt, was uns beim Spazierengehen unterkam. Ich hab es einfach nicht geschafft, ihr so viel Sicherheit zu geben, dass sie locker neben mir durchs Hundeleben trappseln konnte. Einer unserer ersten Trainer fragte mich, was ich denn mit ihr wolle, aus ihr würde nie etwas.

Mein Mädi hat mich viele Nerven und Tränen gekostet, aber wir haben durchgehalten und es allen gezeigt – sogar die BGH 1 haben wir geschafft – am Anfang undenkbar! Auch heute noch ist sie eine tolle Hündin, die fast jede Situation mit mir gemeinsam meistert. Sie lernt mit Begeisterung neue Tricks, wobei uns der Clicker eine große Hilfe war, denn sie hat sehr sensibel auf Schwankungen meiner Stimme reagiert. Durch Carla konnte ich Geduld, Selbstbeherrschung, Überwindung, Durchhaltevermögen lernen. Sie ist dem jungen Hundebub die beste Freundin und Lehrerin.
Danke dafür kleine Charly! Und danke an alle, die an uns geglaubt haben, uns mit Rat und Tat und vielen aufmunternden Worten beigestanden haben.

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Mein Seelenhund! 

Mit 6 Monaten ist er bei uns eingezogen, äußerlich mehr Ähnlichkeit mit einer Dogge als einem Rottweiler. Aber mit seinem Wesen hat er sofort alle bezaubert. Er ist der Sportler in der Familie, wir trainieren eifrig im IPO-Sport. Und wenn er einen Agility-Parcours erspäht, leuchten seine Augen vor Freude. Er ist immer motiviert dabei, will unbedingt alles richtig machen und überschlägt sich manchmal fast vor lauter Eifer. Wenn es mal ruhiger zugeht, auch kein Problem – relaxen im Garten oder einfach mal einen Tag verschlafen – warum nicht? Er ist freundlich zu allen Vierbeinern, bei fremden Menschen eher zurückhaltend. Kuschelattacken von Unbekannten müssen nicht sein. Aber mit seinem ruhigen, freundlichen Wesen zieht er alle in seinen Bann. Er ist einfach ein richtiger Kumpel, für jeden Spaß zu haben, bei jeder Action dabei, oder aber einfach auch nur mal mit Frauli faul sein! Manchmal denke ich, es gibt zwischen uns so etwas wie ein unsichtbares Band. Er hat einfach meine Idealvorstellung von einem Hund erfüllt, wir sind zusammengewachsen und auch aneinander gewachsen. Ich hoffe, wir haben noch eine lange gemeinsame Zeit miteinander!

 

(Kuschel)Monster ?

Leider ist das Bild des Rottweilers in der Öffentlichkeit nicht das Beste. Sein Mut und seine Verteidigungsbereitschaft haben sich einige zunutze gemacht, um aus ihm eine wirkliche Gefahr werden zu lassen. Deshalb auch ein Aufruf an unsere Züchter: Schaut bei euren Welpeninteressenten lieber genauer hin, fragt lieber zweimal nach. Unsere Hunde sollten nicht befellter Aufputz für ein unterentwickeltes Ego sein. Ein guter Grundgehorsam und Rücksicht gegenüber unseren Mitmenschen sind die Zauberworte, welche hoffentlich wieder zu mehr Akzeptanz unserer Rasse beitragen werden. Auch sollte man als Besitzer eines Rottis eine ebenso hohe Reizschwelle haben wie dieser Hund – Anfeindungen und abschätzige Blicke trotz allem freundlich und ehrlich erwidern.

Unsere Schwarzbraunen sind weder reißende Bestien noch große Kuscheltiere, wie uns in letzter Zeit leider auch der Tierschutz immer wieder einreden will. Auch als Ersthund würde ich persönlich eher abraten, da die notwendige Souveränität frischgebackenen Hundebesitzern meist noch fehlt. Der Rottweiler ist ein großer, kräftiger Hund, der gerne arbeitet. Es gibt eigentlich nichts, was man mit diesem Hund nicht machen kann. Meiner Meinung nach werden sie oft unterschätzt. Er ist ein echter Allrounder, der erst in der Arbeit sein tolles Wesen offenbart. Das sollten sich vielleicht auch einige Ausstellungsfanatiker zu Herzen nehmen. Denn ein Rottweiler, der arbeiten darf, ist ein ausgeglichener Hund. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wieder mehr auf wirkliche Gebrauchsfähigkeit dieser tollen Tiere Wert gelegt wird, dieser großartige Hund verantwortungsvolle Züchter und Besitzer findet und uns erhalten bleibt.

 

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