Mit dem Inkrafttreten der neuen Hundeverordnung im vergangenen Jahr in Deutschland, entbrannte auch die Debatte um Qualzucht neu. Demnach sollen Rassehunde, welche entsprechende Merkmale aufweisen, nicht mehr ausgestellt werden dürfen. Zuchtverbände, Züchter und Halter zeigten sich schockiert über die drastische Umsetzung und Ahndung der Verordnung, als im Rahmen der VDH Ausstellung in Erfurt Anfang Mai das Veterinäramt jeden zur Ausstellung gemeldet Hund einzeln und genau auf ebendiese definierten Merkmale kontrollieren und nötigenfalls von der Ausstellung ausschließen wollte.
Die Debatte rund um offensichtliche Merkmale von Qualzucht bei Rassehunden ist alles andere als neu. Seit mehreren Jahrzehnten fordern verantwortungsbewusste Züchter, Kynologen, allen voran aber Tierärzt:innen striktere und vor allem konsequente Maßnahmen zur besseren Gesunderhaltung betroffener Hunderassen.
Der weltweit größte Verband rund um Rassehundezucht, die FCI, ließ ihre Mitgliedsvereine – darunter auch der Verein für das Deutsche Hundewesen (VDH) und der Österreichische Kynologenverband (ÖKV) – individuelle Formulierungen und Empfehlungen erarbeiten. Wer meint es gäbe ernsthafte und vor allem verbindliche Maßnahmen innerhalb der FCI, die weltumspannend alle Mitgliedsvereine betreffen würden, der irrt.
Als Begründung wird stets der Appell an das Verantwortungsgefühl der betreffenden Rassezuchtvereine sowie die Eigenverantwortung der Züchter genannt und so läuft die Qualzuchtdebatte seit Jahren ergebnislos weiter.
Seit Jahren wird eine scheinheilige Debatte über Qualzucht geführt
Kurzum: obwohl die Gesundheit einzelner Hunderassen in den vergangenen Jahrzehnten teils massiv zu Schaden kam, konnte man sich bis dato seitens der Verantwortungsträger zu keinerlei griffigen Maßnahmen durchringen. Zu groß ist die Sorge darum, zahlende Mitglieder (Züchter) zu verärgern und letztlich zu verlieren. Denn auch die FCI ist neben all der wichtigen Funktionen vor allem eines – ein sehr machtvolles und wirtschaftlich ausgerichtetes Unternehmen mit dem Ziel finanziell solide aufgestellt zu bleiben.
Und so kam wie es kommen musste – gleich mehrere Faktoren führten letztlich dazu, dass nun endlich Veterinärämter auf das teils schlimme Leid der betroffenen Hunde aufmerksam wurden und nun restriktive Maßnahmen ergriffen – mit teils wenig zielführenden Stoßrichtungen. Doch hatten es die Rassezuchtvereine konsequent verabsäumt, rechtzeitig gezielt Maßnahmen zu ergreifen!
Dem Qualitätsanspruch an die FCI wurde man zu lange nicht mehr gerecht!
Die FCI sollte prinzipiell der erste Ansprechpartner für Hundeliebhaber sein, wenn es darum geht bei einem seriösen, kontrollierten Züchter einen Welpen zu erwerben. Je nach Hunderasse ist dies auch heute noch der Fall.
Doch allein die nötige Differenzierung nach Rasse, beweist die Tatsache, dass weniger die FCI als solche der Garant für Seriosität und Kontrolle im Zuchtwesen ist, als vielmehr individuelle Zuchtbemühungen einzelner Rassezuchtvereine selbst verantwortungsbewusste Zucht garantieren.
So ist deutlich erkennbar, dass vor allem in Rassezuchtvereinen rund um Rassen, welche auch heute noch auf Leistungs- und Funktionsfähigkeit selektiert werden, gesundheitliche Probleme wenig bis kaum eine Rolle spielen. Allen voran ist dies bei vielen – nicht in Mode gekommenen – Jagdhundrassen der Fall. Wo Rassezucht der Prämisse „form follows function“ folgt, spielen gesundheitliche Probleme nur eine nebengeordnete Rolle.
Ohne Regulativen ist jede Debatte um Qualzucht wirkungslos. Und: auch Hundekäufer:innen sind in der Pflicht
Völlig anders sieht es dagegen bei sogenannten Moderassen aus. Wann immer eine Rasse durch Film, Werbung oder andere Präsenz in den Fokus der Aufmerksamkeit der Gesellschaft rückt und zum „Musthave“ wird, geht es mit der Gesundheit selbiger rasant bergab. Verantwortlich dafür sind sowohl Konsumenten, welche anders als bei Autos und Einrichtungsgegenständen ausgerechnet beim Lebewesen Hund gerne Abstriche bei der (gesundheitlichen) Qualität in Kauf nehmen, solange der Preis die 1.000 Euro-Marke nicht übersteigt, als auch Züchter, die nur allzu schnell auf die Nachfrage reagieren und jegliches Verantwortungsbewusstsein ihren Tieren gegenüber rasch über Bord werfen, wenn dadurch bloß die richtigen Welpen zur Bedienung des Marktgeschehens rauskommen.
Das Dilemma der FCI und ihrer Rassezuchtverbände beginnt an exakt der Stelle. Hätte man von Anfang an Wert auf Seriosität gelegt und würde man dem Käufer mit dem Erwerb eines Hundes mit FCI Papieren tatsächlich so weit bei einem Lebewesen eben möglich garantieren können, dass zumindest aus Sicht der FCI alles dafür getan wurde, dem Welpen die bestmöglichen Voraussetzungen für ein langes, gesundes Leben zu bieten, man würde sich ganz klar von skrupellosen Vermehrern unterscheiden und könnte damit auch den etwas höheren Kaufpreis rechtfertigen.
Klickt man allerdings durch die Chronik des FCI Präsidenten Tamás Jakkel, wird schnell klar, das man nach wie vor rein gar nichts verstanden hat und noch immer in einer völligen Blase lebt. Es werden völlig deformierte Bulldoggen als Paradebeispiele für verantwortungsvolle Hundezucht und dazu ein Loblied auf sich selbst gepostet, in welchem man die eigenen Bemühungen unterstreicht und den „Kritikern“ vorwirft, unwissend und ungerecht zu urteilen. Die Kommentarfunktion wird – obwohl man sich als von seiner Rolle als Verantwortungsträger überzeugt präsentiert – sicherheitshalber eingeschränkt. Zugelassen werden nur lobende und bekräftigende Kommentare von FCI Züchtern. Die Kritik dieser beschränkt sich jedoch auf positive, ist man als Züchter schließlich auf die Bewertung durch FCI Richter zur Zuchtzulassung der eigenen Hunde angewiesen. Und damit rundet man nur das Bild ab, das die FCI sowie ihre Verantwortungsträger seit Jahrzehnten zeichnen.
Aus diesem Grund ist der Wirbel um die nun endlich schlagend gewordene neue Verordnung absolut unangebracht. Immerhin hatte man mehr als genügend Zeit, sich endlich zu wirklich nachhaltigen Maßnahmen durchzuringen. Alles was man zu Stande brachte, war beispielsweise ein lächerlicher Konditionstest für den Mops: „Der Mops läuft auf einem Laufband mit einer der Rasse angepassten Geschwindigkeit (4-8 km/h). Während des Laufens soll der Herzschlag mindestens um 40 % des Ausgangswertes ansteigen. Die Belastung soll aber submaximal sein, das bedeutet, dass der Herzschlag nicht über 80 % des Ausgangswertes ansteigen darf, um den Hund nicht zu gefährden. Die Laufzeit beträgt bis zu 15 Minuten. In den meisten Fällen wird es nötig sein, den Hund an das Laufband zu gewöhnen. Zwischen der Gewöhnung und dem eigentlichen Fitnesstest wird eine Pause von 15 Minuten eingelegt. Auch nach dem eigentlichen Lauftest werden 15 Minuten Pause eingehalten und die Herz- sowie Atemfrequenz gemessen. Zeigt der Hund bei der Untersuchung auf dem Laufband krankhafte Atemgeräusche, wird der Test abgebrochen. Sollte eine Wiederholung des Tests notwendig sein, kann dieser frühestens nach vier Wochen durchgeführt werden.“
Es wurden also Rahmenbedingungen für diesen Test geschaffen, um möglichst viele Hunde dieser Rasse bestehen zu lassen und nur schwerste Fälle zu filtern. Dies sind keine Maßnahmen die dem Wohle des Lebewesens Hund dienen, dies sind unter dem steigenden Druck der Öffentlichkeit notwendig gewordene Scheinmaßnahmen.
Egoismus schlägt Empathie
Doch auch Hundekäufer:innen können sich nicht ihrer Verantwortung entziehen! Wer nach all den Berichten über die qualvollen Lebensbedingungen kurzschnäuziger Hunderassen immer noch nach einer Französischen Bulldogge oder einem Mops Ausschau hält, der muss es aushalten, wenn man ihm jegliche Empathie abspricht und ein Übermaß an Egoismus attestiert. 2022 zu behaupten, man hätte nicht mitbekommen, wie es um diese Rassen steht, spricht entweder für völliges Desinteresse an der Rasse selbst oder der Hundehaltung generell und beides sind alles andere als gute Voraussetzungen für die Anschaffung eines Hundes!
Es kann nicht sein, dass man sich noch immer völlig blauäugig im Angesicht des Welpen von einem Züchter einreden lässt, dass der Hund zwar eine kürzere Schnauze aber dennoch keinerlei Probleme bei der Atmung hätte. Und natürlich gäbe es diese Probleme aber eben nur bei den anderen Züchtern. Die Ausreden sind so alt wie die Problematik um die Qualzuchtmerkmale selbst und sie sind vor allem so abgedroschen, dass sie kaum noch zu ertragen sind.
Der Hund selbst ist der Leidtragende und wird sein ganzes Leben lang verzweifelt darum kämpfen, mehr Luft zu bekommen. Wenn Sie sich für diese Rassen interessieren, halten Sie sich Ihre Nase mit zwei Fingern zu und beantworten Sie sich die Frage, ob Sie einen Züchter unterstützen möchten, der ein Leben unter solchen Bedingungen wohlwollend in Kauf nimmt. Kein Mensch mit einem Mindestmaß an Empathie kann diese Verantwortungslosigkeit ernsthaft unterstützen.
Selbstverständlich trifft die neue Verordnung Rassehundezucht nun nach dem Gießkannenprinzip und ist teils wenig zielführend. Schuld daran haben aber einzig die maßlos untätig gebliebenen Rassezuchtverbände, die es mit Ignoranz und Untätigkeit auf die Spitze getrieben haben. Wenn Sie sich dadurch ungerecht behandelt fühlen, dann stellen Sie sich vor, wie es erst all den betroffenen Hunden ergehen muss, deren Leid so lange konsequent ignoriert wurde!
Das Maß der Erträglichkeit an Ausreden und Begründungen, warum diese oder jene Rasse ein (röchelndes) Beispiel für eh so verantwortungsbewusste Rassehundezucht sein soll ist einfach erschöpft! Und es ist aus Sicht liebender Hundehalter:innen in jedem Fall begrüßenswert, dass dem vereinsinternen Gemauschel nun endlich ein bissiger Riegel vorgeschoben wurde! Es bleibt die Hoffnung, dass man sich erzwungenermaßen wieder an die eigentlichen Aufgaben und Verpflichtungen erinnert und FCI Papiere dazu macht, was sie sein sollten – ein Garant für Qualität und Gesundheit innerhalb der Rassehundezucht. Damit entkräftet man automatisch auch jegliche Preisdiskussion, denn jede:r weiß, dass Qualität ihren Preis hat! Und wenn es dabei um unseren besten Freund, unseren Hund geht, dann ganz besonders.