Für viele ist er einfach nur ein undefinierbarer Mischling, andere sind vom offensichtlich extrem hohen Alter des Hundes mit dem weißen Stichelhaar fasziniert. Aber die Wenigsten wissen, dass sie einen der talentiertesten Hütehunde überhaupt vor sich haben.
Als Englands Gefängnisse Ende des 18. Jahrhunderts aus allen Nähten platzten, wurden auffällig gewordene Insassen kurzerhand in andere Kolonien verschifft. Darunter natürlich auch der bis dahin noch völlig unbekannte, riesige Kontinent Down Under. Die ersten Europäer, die damals Australien erreichten, konnten nicht glauben, dass es ein Land gab, das sich so massiv von all dem, was sie bisher kannten, unterscheiden konnte. Natürlich gab es auf dem fünften Kontinent auch keine Landwirtschaft im herkömmlichen Sinn, sondern Ureinwohner, die bis dato Jäger und Sammler waren. Die ersten Siedler, die aus freien Stücken nach Australien auswandern wollten, mussten Vieh von Europa importieren und sich verpflichten, beim Aufbau der Landwirtschaft behilflich zu sein. Mit dem Vieh kamen auch die ersten Hunde nach Australien. Sogenannte Smithfields. Große, zottelige Hunde, die ihren Namen wegen ihres Arbeitsplatzes, den Smithfield Meat Markets, erhalten haben. Sie hielten das Schlachtvieh auf den Märkten und Schlachthöfen von Smithfield zusammen. Diese Hunde hatten unter den extrem heißen Temperaturen im australischen Hinterland allerdings so zu leiden, dass sie ihrer Arbeit beim Treiben der Herden gar nicht mehr nachkommen konnten. Die schier unendlichen Weideflächen Australiens erforderten außerdem ein Laufpensum, das diese großen und schweren Hunde einfach nicht aufbringen konnten.
Timmins‘ Biter
Ohne Hunde war es unmöglich, die Herden unter Kontrolle zu halten. Da es in Australien keine Hunde gab, die man hätte mit den Smithfields verpaaren können, stieg das Interesse an den australischen Dingos. Wildlebene Caniden, die fallweise durchaus eine Partnerschaft mit den Aborigines eingingen, wenn diese sich Hunde von Welpenbeinen an für die gemeinsame Jagd hielten. So entstand die Idee, einen Kreuzungsversuch der Smithfields mit dem dingo zu wagen. Es soll „Old Jack“ Timmins gewesen sein, der einen ersten Zuchtversuch unternahm. Allerdings kristallisierte sich rasch heraus, dass diese Verpaarung ungeeignet war. Wie der Name schon verrät (Timmins’ Biter = Timmins Beißer) waren diese Hybriden viel zu grob und harsch im Umgang mit dem wertvollen Weidevieh. Außerdem waren sie zu laut und verschreckten das Vieh mehr, als sie es hüteten.
Thomas Hall, Sohn einer englischen Farmerdynastie, machte sich einige Jahre später dran, einen geeigneten australischen Farmhund zu züchten. Dies tat er vermutlich mit etwas mehr kynologischem Wissen und Verständnis. Zunächst studierte er die Dingos genauestens und kam zu dem Schluss, dass diese Wildhunde mit ihrer lautlosen Jagd weit besser zum Treiben geeignet waren als die Smithfields. Fehlten nur noch geeignete Hunde, um diese mit den Dingos zu kreuzen.
Da er in Australien nicht fündig wurde und von Zuhause die Nachricht über kurzhaarige, widerstandsfähige und leistungsstarke Hütehunde erhielt, holte er sich die seiner Ansicht nach passenden Hunde aus England und startete schließlich sein Zuchtvorhaben. Bald sprachen sich die neuen wendigen und arbeitsfreudigen Hunde herum und bald wollte jeder Farmer Australiens einen solchen „Hall’s Heeler“ sein Eigen nennen. Doch die Halls achteten akribisch darauf, dass ihre Hunde nur auf ihren eigenen Farmen vertreten waren. Erst nach dem Tod von Thomas Hall und seinem Bruder fanden die Hall’s Heeler langsam auch den Weg auf andere Farmen und überzeugten weiterhin mit Loyalität, Mut, Durchsetzungsvermögen und einer unglaublichen Ausdauer. Ein flink agierender, reaktionsschneller Heeler war vor allem im unwegsamen Gelände nicht zu ersetzen und übernahm oft die Arbeit mehrerer Männer.
Aber nicht die Halls machten den Australian Cattle Dog zu dem, was er heute ist, sondern Robert Kaleski. Er war der Rasse so verbunden, dass er 1903 auch den ersten Rassestandard für Cattle Dogs begründete. Diese wurde sogar im „Kennel Club of New South Wales“ als gültig für den Ausstellungsring anerkannt.
„Blue Heeler“ als Qualitätssiegel
In seiner Heimat ist der Cattle Dog als Blue Heeler bekannt. Diese Bezeichnung hat sich fast als Marke für Arbeitseifer, Ausdauer und Durchsetzungskraft etabliert. Blue Heeler vermittelt eine Art Lebensgefühl. Es steht für die besten Jahre des Australian Cattle Dogs, in denen er heiß begehrte Arbeitskraft auf den weitläufigen Farmen im australischen Hinterland war, lange bevor die Technik ihn seiner Aufgaben entledigte. Die Verehrung des leistungsstarken und loyalen Hundes geht sogar so weit, dass sich das örtliche Rugbyteam „Blue Heelers“ nennt.
Den Artikel findest du in Ausgabe 04/2015 .