So ziemlich jeder Hundehalter hat davon schon gehört, sei es von Bekannten, Freunden, der Familie oder gar einem Tierarzt, dass eine Hündin zumindest einmal im Leben Welpen bekommen sollte.Wir wollen dieses Thema einmal für Sie beleuchten und uns den Fragen widmen: Welche Vorteile hat es für eine Hündin zu werfen? Welche positiven Auswirkungen zeigen sich auf Verhalten und Körper einer Hündin? Oder ist diese Aussage ein altes Ammenmärchen, das man schnellst möglich vergessen sollte?
1x im Leben Hundemama sein!
Betrachten wir zunächst mal die Argumente, welche vermeintlich dafür sprechen und allgemein bekannt umhergeistern. Da wäre einmal der – angeblich – natürliche Wunsch einer Hündin einmal im Leben Mutter sein zu dürfen. Worauf sich jedoch diese Theorie stützt, ist und bleibt mir schleierhaft, dennoch ist dies eine häufig vertretene Meinung, auf die ich im Zuge meiner Recherche des Öfteren gestoßen bin. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft gibt es aber einen solchen Wunsch in der Tierwelt nicht. Natürlich haben Tiere den Trieb sich fortzupflanzen und so die eigene Art zu erhalten, bevorzugt natürlich sich selbst so oft wie möglich zu vermehren. Der explizite Wunsch einmal im Leben Mutter sein zu dürfen resultiert aber wohl auf einer stark vermenschlichten Betrachtungsweise einer Hündin. Eine gesunde Hündin würde sich ihren Instinkten gemäß bei jeder sich bietenden Gelegenheit fortpflanzen um ihre Gene möglichst großflächig zu verteilen und die Erhaltung ihrer Art zu sichern.
In unserer heutigen Wohlstandsgesellschaft (die auch vor unseren Hunden nicht Halt macht) wäre dies demnach zwei- bis sogar dreimal jährlich mit dem nächstbesten Rüden, der sich in der Paarungszeit der Hündin anbietet. Von einmal im Leben kann somit keine Rede sein.
Krebsvorsorge durch Trächtigkeit?!
Weiteres hält sich der Glaube, dass eine Geburt auch zur Krebsvorsorge einer Hündin dienlich ist, weshalb ab und an noch empfohlen wird eine Hündin zumindest einmal decken zu lassen, sogar von manchem Tierarzt. Auch hier ist festzuhalten, dass es hierfür keinerlei wissenschaftlichen Beleg gibt, dass Hündinnen die niemals einen Wurf großziehen durften öfter an Krebs erkrankt oder gar verstorben wären als Hündinnen die einmal oder mehrmals Welpen hatten.
Ganz im Gegenteil! Eine Geburt birgt viele Risiken für eine Hündin über die sich jeder Halter im Vorfeld bewusst sein und geeignete Vorkehrungsmaßnahmen treffen sollte. Gar nicht so selten wie man meinen würde kommt es bei einer Geburt zu Komplikationen. Dies „passiert“ auch langjährigen Züchtern, die in derart gefährlichen Situation jedoch zumindest auf Ihre Erfahrung zurückgreifne können. Dennoch wäre es wahrscheinlich für jeden Hundehalter, egal ob nun Züchter oder nicht, eine der schrecklichsten Vorstellungen einen der Welpen oder gar die eigenen Hündin bei der Geburt auf Grund erheblicher Komplikationen zu verlieren.
Vom Teenie zur Vollblutmama
Eine weitere Verlautbarung bekundet, eine Trächtigkeit würde sich positiv auf die körperliche und geistige Entwicklung einer Hündin auswirken und diese sei erst danach „richtig“ erwachsen.
Dem widerspricht schon die Natur an sich, denn ob eine Hündin „erwachsen“ ist entscheidet nur unter anderem der Hormonhaushalt. Bei einer gesunden Hündin ist die Geschlechtsreife mit Eintreten der ersten Läufigkeit erreicht, dies ist der Zeitpunkt an dem eine Hündin theoretisch zum ersten Mal Welpen bekommen kann. Erwachsen ist sie zu diesem Zeitpunkt deshalb aber nicht automatisch. Je nach Rasse und Größe kann die erste Läufigkeit schon zwischen dem 7. und 12. Lebensmonat eintreten, speziell große Rassen wachsen aber mitunter bis zum 2. Lebensjahr, somit ist eine Hündin hier nur auf Grund des Wurfes gewiss nicht erwachsen. Dass Hündinnen so früh geschlechtsreif werden, hängt unter anderem mit der Domestikation zusammen. Wie mehrere wissenschaftliche Studien ergeben haben, werden weibliche Wölfe erst wesentlich später geschlechtsreif, meist nicht vor dem zweiten Lebensjahr. Diese Studien beziehen sich vorwiegend auf in freier Wildbahn lebende Wölfe, bei ihren in Gefangenschaft lebenden Artgenossen wurden teils auch schon andere Zeiträume und Verhaltensmuster zur Geschlechtsreife beobachtet.
Auch Veränderungen psychischer wie physischer Natur sind nach einem Wurf nicht vollkommen auszuschließen. So trifft zumindest Großteils zu, dass viele Hündinnen ein vergrößertes Gesäuge ausweisen, nachdem sie Welpen hatten, nicht immer bildet sich dieses vollständig zurück. Weiteres gibt es vereinzelte Berichte über Wesensveränderungen bei Hündinnen, die einmal geworfen haben, dies ist aber wohl nicht die Regel und tritt vornehmlich bei sehr jungen Hündinnen nach einem Wurf auf. Dies lässt natürlich auch die Spekulation zu, dass diese Wesensveränderung weniger an den Welpen als vielmehr am jungen Alter der Hündin lag.
Keine Scheinträchtigkeit mehr
Ein weiteres Gerücht besagt, eine Hündin die bereits Welpen großziehen durfte würde nicht mehr scheinträchtig werden, da ihr Körper den Unterschied nun kenne. Leider ist dies völliger Quatsch, und muss an der Stelle so deutlich bezeichnet werden. Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass Scheinträchtigkeit (in all ihren Ausprägungen) keine Krankheit darstellt. Vielmehr handelt es sich um ein „Relikt“ aus Zeiten in denen unsere Hunde noch viel natürlicher gelebt haben. Hierzu ein kleiner Exkurs in die Wildnis. Bei den bereits erwähnten wildlebenden nächsten Verwandten unserer Haushunde – den Wölfen – ist es sogar so, dass sich nicht jedes Individuum eines Rudels fortpflanzt. Vielmehr bleibt dieses Privileg den Leittieren – sowohl männlich als auch weiblich – vorbehalten. Die anderen Weibchen des Rudels werden natürlich trotzdem läufig und sind paarungsbreit, werden aber in der Regel nicht gedeckt. Sollte einer der rangniedrigeren Männchen dennoch ein Weibchen decken, bleibt das Weibchen meist entweder leer oder die Welpen werden nicht selten vom Alphaweibchen getötet, da die Aufzucht eines Wurfes das gesamte Rudel viele Ressourcen kostet und diese ausschließlich für die Aufzucht der „Alpha-Welpen“ zur Verfügung stehen sollen. Mutter Natur hat es also so eingerichtet, dass sich ein ganzes Rudel um nur einen Wurf kümmert und die rangniedrigeren Weibchen aber, um die Versorgung der Welpen sicher zu stellen – selbst wenn der Alphawölfin etwas zustößt – ebenfalls Milch produzieren. Deshalb werden diese, obwohl sie nicht gedeckt wurden, scheinträchtig und produzieren Milch, als hätten sie eigene Welpen.
Viele Hündinnen zeigen dieses genetisch tief im Hund verankerte Verhalten ebenso, inklusive der körperlichen Anzeichen wie geschwollenen Milchleisten, bis hin zur echten Milchproduktion in unterschiedlich starker Ausprägung. Am Beispiel der Wölfe erkennt man aber sehr gut, dass es in einem Rudel sehr wohl Mitglieder gibt, die sich niemals im Leben fortpflanzen. Weshalb es deshalb bei unseren Haushunden ein Muss sein sollte, bleibt rätselhaft.
Welpen ja, aber niemals unüberlegt!
Abschließend möchte ich den einzigen Grund nennen, der dafür spricht, dass ihre Hündin einmal im Leben Welpen haben darf (nicht soll!). Der Grund ist, weil Sie es möchten! Richtig gelesen! Sie möchten es so, nicht die Hündin.
Grundsätzlich spricht ja auch nichts dagegen, sofern Sie folgendes beachten:Ihre Hündin sollte gesund sein und körperlich in der Lage, einen Wurf alleine groß zu ziehen. Selbstverständlich werden Sie sie unterstützen, aber generell sollte die Hündin dazu alleine im Stande sein, sonst sind die Voraussetzungen denkbar schlecht.
Weiteres sollten Sie sicher sein, dass Ihre Hündin frei von Erbkrankheiten ist. Dies können Sie natürlich nur wissen, wenn Sie ihre Hündin entsprechend untersuchen ließen und die Vorfahren Ihrer Hündin kennen, da manche Erbkrankheiten bekanntlich ja auch Generationen „überspringen“ können (auf die Feinheiten von rezessiven und dominanten Erbgängen einzugehen würde hier den Rahmen bei weitem sprengen). Selbstverständlich gilt selbiges ebenso für den Deckpartner und zukünftigen Vater der Welpen, schließlich entstehen die Welpen bekanntermaßen aus einer Mischung der Erbmaterialen beider Eltern und nicht nur aus den Genen der Mutterhündin. Können Sie nur eines dieser Kriterien nicht zweifelsfrei erfüllen, rate ich Ihnen ganz dringend davon ab Ihre Hündin decken zu lassen. Denn abgesehen von den Komplikationen die bei einer Geburt noch auf Sie und Ihre Hündin warten können, ist das Risiko kranke Welpen in die Welt zu setzen schlicht zu hoch. Mischlinge (hierzu zählen alle Hunde, deren Abstammung nicht einwandfrei nachvollzogen werden kann, bspw. zählen auch zwei phänotypisch einer Rasse zugehörige Exemplare, über deren Abstammung nichts bekannt ist zu den Mischlingen) von denen niemand genau weiß welche (erblich bedingten) Krankheiten in ihnen schlummern, gibt es schließlich schon genug.
Auch wenn Sie Ihre Hündin total lieb und schön finden, gibt es keine Garantie dafür, dass sich diese Eigenschaften vererben. Je weniger die beiden Deckpartner miteinander verwandt sind, desto unterschiedlicher und vielschichtiger werden die Welpen sein, sowohl optisch als auch in ihren Charakterzügen. Dass Sie einen Welpen erhalten, der Ihrer Hündin sowohl vom Aussehen als auch vom Wesen her ähnelt ist ohne genetisches Grundwissen und den geeigneten Deckpartner wohl eher ausgeschlossen.
Besser ist es daher, das züchten auch wirklich denen zu überlassen, die sich damit eingehend beschäftigen und viel Zeit in Fortbildung und die Erlangung von Fachwissen (unter anderem im Bereich Genetik) investieren, den Züchtern. Es ist ohnehin jeder Hund ein Individuum, und bringt daher seine ganz persönliche Note in Ihr Leben.
Fazit
Es gibt nach aktuellem Stand der Wissenschaft keinen medizinischen Grund, der dafür spricht, Ihre Hündin einmal im Leben Welpen aufziehen zu lassen. Sie können die eingangs aufgestellte Behauptung „Eine Hündin sollte mindestens einmal im Leben werfen“ getrost als hartnäckiges Gerücht, welches von Generation zu Generation überliefert wird, betrachten und als solches abtun, wenn wieder einmal einer ihrer Bekannten, Freunde, Verwandten oder gar Ihr Tierarzt Sie davon überzeugen möchte. Vielmehr ist es Ihnen nun möglich dies zu widerlegen und andere über diesen hartnäckigen Irrtum in der Hundehaltung aufzuklären.